Folegandros - Eine Insel fürs Auge

2018

Das Ankommen im Dunkeln in einem unbekannten Hafen überrascht mich jedes Mal wieder. Erst mal den Pullover ausziehen, der Klimaanlage des

Seajets entkommen. Draußen ist es warm, Kleinbusse holen Gäste ab.

Der Inselbus ist bei jedem Schiff da, hat Leila geschrieben. Nur blöd, dass er schon weg ist. Mit mir stehen da nur noch eine Familie aus Norwegen und ein junger Mann, der Deutsch spricht. Er geht erst mal was essen in einer der Hafentavernen und nimmt den späten Bus. Ich rufe ein Taxi, das einzige Inseltaxi, wie ich erfahre. Nach 20 Minuten kommt es und bringt uns hoch zur Chora. Vor uns scheucht ein Wagen mit Warnblinkanlage zwei Ziegen von der Straße ins Dunkle. Ich steige vor dem Antheia aus, Leila hat auf mich gewartet und zeigt mir das Zimmer, leider im Erdgeschoss, gibt mir das Passwort für das Wifi und ist weg. Ich habe Hunger.

Nach etwa zwei Minuten ohne Menschen auf der Straße bin ich auf der

ersten Platia hoch über Steilküste, dann noch um die Ecke, und ich bin in einer anderen Welt. Es ist Mitte Juni und die Chora ist voller Menschen. Ich bin hungrig und leicht überfordert. Die großen und kleinen Tische sind voll mit Familien oder Freunden besetzt. Erst am Rande der Platia Kontarini finde ich einen kleinen freien Katzentisch im Chic. Erschöpft lasse ich mich nieder. Bitte ein Alfa! Ich habe auf dieser Reise die verschiedenen Geschmäcker von Suzukakia wieder entdeckt, also dazu einen Misotsatsiki. Ich sehe den gut gelaunten Gästen im Lokal und auf der Platia zu und komme runter. Das Essen wird gebracht und ist total lecker. Nun geht es mir besser. Ich bin zufrieden, aber müde. In einem kleinen Laden kaufe ich Cola und Bier und mache mich auf den Weg zurück. Natürlich verlaufe ich mich in dem Gewusel, schließlich komme ich zum Chic zurück, wo mich ein freundlicher älterer Folegandriner namens Kosta durchs Gewirr bis zur Platia Punta bringt, von wo ich den Heimweg finde. Das Bett ist klasse, ich schlafe wie ein griechisches Murmeltier.

Am nächsten Morgen nehme ich Zimmer und Bad wahr und bin sehr zufrieden. Die Terrasse ist zwar klein, aber schattig und kühl. Vorm

I Punta sitzen Leute beim Kaffee. Ich gehe in den Garten, alle Plätze sind

besetzt, ein gutes Zeichen. Also nehme ich vorm Haus an der Platia den letzten freien Tisch im schmalen Schatten. Es wird wärmer und ich

kann Leute gucken, die zur berühmten Mauer gehen, um erste Fotos

zu machen. Der Kaffee und das Takos schmecken gut. Die Gitarrenmusik von Robero Lara passt zum Ort und zum Morgen.

Dann mache ich mich auf den Weg zur ersten Fototour und erlebe viel von der Farbenpracht, die mir am Abend verborgen geblieben ist. In den

Cafes und Tavernen wird gefrühstückt, aber die Menschenmassen des

vergangenen Abends sind verschwunden.

Ich finde den Weg gleich rechts ins Kastro und bin von Licht und Stille

fasziniert. Das alte Stadtviertel ist kleiner, als ich es erwartet habe. Schon nach wenigen Metern ist man im kargen Feld hoch über dem Meer. In Ruhe erkunde ich die Nebengassen der Platias.

Mir begegnen junge Leute mit Badetaschen und Schirmen auf dem Weg zu den Bussen, die zu den wenigen Stränden fahren. Auf der Platia Punta setze ich mich im Artemis an „der Mauer“ zu Evi und bestelle mir einen Espresso. Single, scheint ein neues griechisches Wort zu sein. Evi hätte mir gern ein günstiges Zimmer mit Meerblick angeboten und ist erstaunt, dass ich nur drei Nächte bleiben will. Sie lebt eigentlich in Thessaloniki und ist nur im Sommer hier. Im Winter sei die Chora „closed“. Also alles nur eine Inszenierung, aber eine schöne, erinnert mich ein wenig an Santorini, nur viel kleiner. Gäste kommen nicht mehr, das Punta gegenüber macht über Mittag zu und ich mache lieber Siesta.

Gegen fünf mache ich mich wieder auf und setze mich neben dem Araxe am Rande der Platia Dounavi in den kühlen Schatten der Cafebar ParasAgas. Im Hintergrund läuft leise französische Barmusik. Das Cafe scheint relativ neu zu sein. Kosta bringt mir zum Frappé einen leckeren Schokokuchen mit Creme. Ich bin begeistert und sage es ihm. Er freut sich sehr. Auch er ist nur von Mai bis September in der Chora und lebt im Winter in Athen. Mit dem ParasAgas hat er sich wohl einen Lebenstraum erfüllt, denn auch sein frischer Orangensaft ist erstklassig und im Mixer sehr cremig hergestellt. Ich fühle mich sehr wohl. Abends sitzen hier nur junge Leute, wohl Touristen, meist Italiener und Franzosen, während die alten Männern mit den Zigaretten in den Händen ihren Kafeneions die Treue halten.

Ich mache einen Spaziergang hoch zur berühmten Panagia und kehre auf halbem Wege wieder um. Mir ist sehr warm, ich schwitze und muss meine Knie schonen. Vielleicht avrio. Als die Sonne untergeht, ist auf der Platia Punta nur wenig los. Ich setze mich mit einigen Frauen und einer Katze auf die Stufen, genieße die Ruhe und erlebe einen stimmungsvollen Moment auf dieser merkwürdigen Insel.

Abends gibt es wieder volles Programm. Die Platias sind voll. Französisch und Italienisch übertönen die Musik. Wo wohnen die Menschen nur alle? Und was wird erst im August los sein? Ganz am Ende einer Nebengasse finde ich noch einen freien Tisch im Spitiko. Das Essen ist lecker, Bandnudeln Matsata habe ich noch nirgendwo bekommen. Vorher gibt es noch Melitsanasalata zu meinem Misotsatsiki vom Haus und zum Nachtisch noch Halwa. Spitikon ist eine Taverne zum Empfehlen.

Vorm ParasAgas trinek ich noch bei Kosta einen Espresso und denke, am besten wäre es für mich, von Naxos aus abends mit dem Helicopter nach Folegandros zum Essen zu fliegen. Wie wird es mit Folegandros wohl weitergehen?

Ich faulenze weiter, erkunde die Chora und die Umgebung, kaufe mir

ein Fole-T-Shirt und esse den saftigen Orangenkuchen Portokalopita bei

Kosta. Nebenan ist eine Schweizerin angekommen, eine langjährige

Santorini-Freundin und will dreieinhalb Wochen bleiben. Nun ja,

Geschmäcker sind verschieden. Ola kala, ich nehme im Chic noch mal

ein saftiges Kotopoulo Safran zu mir und schließe den letzten Abend mit einem großen Uso vorm ParasAgas ab.

Am Morgen bringt mich der Inselbus hinunter zum Hafen Karavostassis,

der im hellen Licht auf einmal viel freundlicher wirkt als bei der Ankunft. Eine Polizistin sorgt bei der fast gleichzeitigen Ankunft von Seajet und Androsjet für Spaß und Chaos. Die wenigen Reisenden müssen den Schatten verlassen und in der Hitze warten. Was eine Uniform sogar bei griechischen Frauen ausmacht!

Byebye Fole. Irgendwie schön bunt und für mich nichts für länger. Oder?