Iraklia

Herakles, der Namensgeber dieser kleinen Kykladeninsel ist einer der stärksten Helden in der griechischen Mythologie. Einer meiner Lieblings-strände auf meiner anderen Lieblingsinsel Euböa ist ja nach ihm benannt worden. Er schaffte angeblich 12 heroische Taten. Mir reicht schon die eine, nämlich jeden Tag in der Frühjunihitze den schattenlosen Weg über den Kamm auf der Straße an der Bushaltestelle vorbei zum Livadistrand hin und vor der Siesta wieder zurückzugehen.

Eigentliche Helden sind eher für mich vier junge Schwarz-Gelbe, die die Routen auf dieser Insel zu Fuß zurücklegen und, wenn ich schon zur Siesta zuhause bin, erschöpft, aber sehr zufrieden unsere Terrasse erklimmen … zum ersten Fix des Tages.

Aber besser der Reihe nach…

Ich wollte schon immer mal Scopelitis fahren, das ist nun dieses Jahr möglich. Nicole bringt mich in Naxos zum Schiff und ich stelle meinen Koffer neben die acht anderen im Bauch meines Lieblingsschiffes. Die jungen Leute, die mich überholen und Richtung Koufonissi oder Donoussa unterwegs sind, nehmen ihre Rucksäcke mit nach oben in die pralle Sonne. Pünktlich geht es los und die Express Scopelitis fährt am Plaka entlang Richtung Süden der ersten kleinen Kykladeninsel entgegen. Ich bin ja schon mal im Hafen von Agios Georgios angekommen, aber dieses Mal genieße ich Einfahrt und Anlegen am Kai besonders.

Anna holt mich ab und ich spüre sofort, ich bin herzlich willkommen. Sie kutschiert mich hoch an den Hang zu ihrer Anlage und macht mir einen leckeren Frappé. Mein Zimmer habe ich mir etwas anders vorgestellt, mit kleinem Balkon, doch es hat nur eine große Gemeinschaftsterrasse, was sich aber bald als Vorteil herausstellen soll.

Ich packe das Nötigste aus, schnappe mir meine blaue Strandtasche und mache mich wieder hinunter ins Dorf an den Hafenstrand, dessen Bänke im Schatten liegen, was mich freut. Das Wasser ist herrlich. In der Abendsonne buddeln Kinder im Sand und französische Rentner belegen die First-Class-Plätze auf den Bänken. Als die Kinder mit ihren Müttern gehen, kehrt Abendruhe ein und ich mache mich auf den Weg zurück, um aber vorher noch im Supermarkt von Annas Tochter Getränke und Kekse mitzunehmen. Zwei deutschsprechende Männer kaufen etwas mehr ein als ich, aber als ich wieder zu Fuß oben bin, haben sie wohl einen Stopp mit einem Wagen genutzt, denn sie sind schon da, wie sich herausstellt, zwei Paare aus Dortmund, Fans des BVB, so dass ich immer wen zum Klönen habe. 

Abends gehe ich spät die hundert Schritte hinunter ins Maistrali. Die Taverne ist gut besucht, ich vernehme italienische und französische Stimmen und bestelle mir ein Moussaka. Nachts schlafe ich gut.

Am Morgen unternehme ich einen Bummel ins Dorf und finde im Perasma auf der Speisekarte Omelettes, so dass meine Frühstücke gesichert sind. Besonders das griechische mit Oliven, Tomaten und Feta ist sehr lecker, dazu die nette Morgensonne, dänische Stimmen am Nachbartisch, zwei Bullis langsam auf dem Weg zum Hafen, weil die Scopi in Sicht kommt. Ein angenehmer Tagesbeginn.

Der Weg über die Kuppe führt mich auf der Teerstraße in der Wärme hinunter zum Livadistrand. Viel Sand und einige kleine Tamarisken sehe ich und nur ein Paar mit Hund. Ich hole mir wie dann jeden Tag im Pera Panta meinen Morgenfrappé und finde in der Mitte der Bucht unter der Tamariske im Schatten auf einem Stein meinen Platz. Kein Schirm, keine Liege, nur Hitze. Ob ich das aushalten werde? Das Wasser ist erfrischend kühl und genau das richtige für mich. Ein einsamer Strand, kaum Badegäste, hin und wieder ein Boot in der Bucht. Ich komme runter, richtig runter.

Gegen drei ist es so warm, dass ich lieber die Siesta im kühlen Schatten auf der Terrasse verbringen will. Beim Fußweg sind die letzten hundert Meter bis zur Kuppe die mühsamsten. Dafür verbringe ich danach die nächsten zwei Stunden auf der Terrasse unter der griechischen Flagge auf einer schönen Liege. Bis das griechische Leben wieder beginnt mit Fernsehen und Telefon und bis die Wanderer wieder heimkommen. 

Gegen halb 6 mache ich mich noch mal wie jeden Tag auf zum Hafenstrand und gebe mich dem Abendfeeling hin. Die Schwarz-Gelben kochen heute selbst und laden mich zum Essen und Trinken und Klönen ein. Ich mache mich schnell auf ins Dorf, doch meine Idee von süßem Kuchen als Nachtisch bleibt auf Iraklia heute leider unerfüllt. 

Die Dortmunder sind „Griechenland-Wanderexperten“ und haben viel mehr Inselerfahrung als ich. Sie kommen gerade von Schinoussa, wo es ihnen nicht so gefallen hat. Auf Iraklia bleiben sie länger als geplant und wollen später noch nach Naxos in die Berge. Ihnen hat es in den letzten Jahren auf Paxi am besten gefallen und ich lege ihnen Euböas Norden ans Herz, grün, waldreich und bestimmt auch zum Wandern geeignet. Es wird ein schöner langer Abend.

Am zweiten Tag kenne ich Agios Georgios und spüre die Erinnerung an ein frühes Griechenland, ruhig, warm, vertraut. Zu Beginn der Saison sind die Leute relaxt, offen und freundlich. Am Strand gibt es blinde Fliegen, Krabbeltiere und heißen Sand, auf dem ich mir fast die Sohlen verbrenne, als ich mit der Kamera unterwegs bin. Mittags ist fast kein Wind, auch auf dem Weg heim nicht, erst auf der Terrasse hoch oben bekomme ich die Abkühlung, die ich brauche. Wie haben wir früher nur die Nachmittage vorm Zelt in der Augusthitze überstanden?

Die Tage auf Iraklia vergehen wie im Fluge. Zu erwähnen ist noch ein Essen im Syrma oben über der Hafenbucht. Also nicht nur das Maistrali ist zu empfehlen. Iraklia ist eine schöne Insel zum „Runterkommen“, ich bin froh, Verenas Rat befolgt zu haben. Vielleicht packt mich ja doch noch auf meine alten Tage das Wanderfieber, aber sicher nicht in der Hitze. Die Höhle hätte ich aber schon machen können, meinten BABU. Da braucht ein alter Mann eher bequeme Liegen. Und die gibt es auf Naxos ja zuhauf.

Anna bringt mich morgens, als das Schiff um die Ecke biegt, schnell zum Hafen. „Tickets? Tickets?“ Ich beruhige sie. „I have“. Denn natürlich habe ich am Vorabend noch mal die kleinen Läden abgeklappert und im Melissa die moderne „Ticketmaschine“ bewundert. Ich habe eher eine mit der Hand geschriebene Fahrkarte erwartet. Ich verabschiede mich herzlich von Anna,  steige für die Rückfahrt nach oben aufs Deck und lasse mir bis Naxos den Wind durch die wenigen Haare wehen.