Nikiti 2018 – Zurück in die Vergangenheit

Mein erstes „griechisches Zuhause“, der Zeltplatz Silva zwischen Nikiti und Metamorfosis auf der Halbinsel Sithonia wurde nach dem Jugoslawienkrieg durch das Hotel Porfi abgelöst. Im Frühjahr 2009 haben wir uns von der Chalkidiki endgültig verabschiedet. Doch Ramona hat auf einmal wieder Lust, die Taverna Sonia wieder zu besuchen, und so buchen wir lastminute eine Sithoniareise nach Nikiti.

Wir checken vor Sonnenuntergang im Porfi ein, gehen gleich hinunter zum Strand und bekommen die erhoffte Abendstimmung. Es ist noch sommerlich warm Mitte September. Perfekt, denn wir wollen außer Nostalgie natürlich auch das Meer und Strände erleben.

Als es dunkel wird, machen wir uns auf den Weg, die Straße zu Danai und dann rechts den alten Silvaweg hoch zur Taverna Sonia, die am Rande von hohen alten Pinien neben der Sithonia-Mainroad liegt. Es gibt neue Pflanzen und neues Gestühl, doch die Atmosphäre hat sich kaum verändert. Das Lokal ist gut besucht und wir nehmen am Rande an einem der letzten freien Tische Platz.

Georgios freut sich sehr, uns zu sehen, auch er hat sich kaum verändert. Wir haben Hunger und nehmen Kefthedakia in Tomatensoße und Grillgemüse und sind erstaunt, dass er mit dem Brot und den Getränken eine kleine Olivenvorspreise vom Haus bringt. Zaziki und Papates sind toll, das gesamte Essen ist klasse, und als er dann noch als Nachtisch mit weichem Kormos mit einer Sahnehaube ankommt, sind wir total begeistert und er bringt noch eine Zugabe. Unsere Überraschung über soviel Gastfreundschaft zaubert auch ihm ein Lachen ins Gesicht.

Wir haben uns vorgenommen, auch mal woanders essen zu gehen, doch nach diesem Abend und der Veränderung in Nikiti machen wir immer den gleichen Spaziergang zur Taverne, die nach Georgios' Mutter benannt und zu Zeiten des Zeltplatzes Silva eröffnet worden ist. Die Eltern haben sich zur Ruhe gesetzt und Georgios hat nach Jahren in München hier mit seiner Frau Maria das Geschäft übernommen. Sein Team in Küche und Service arbeitet gut, es ist im September fast jeden Abend voll, und es kommen nicht nur Touristen aus den Hotels nahebei. Wir probieren im Laufe der Woche die ganze Speisekarte durch. Neben Moussaka, Stifado und gefüllten Kalamari gefallen uns die schwarzen Gigantes aus Kastoria in Tomatensoße und der warme Rote-Bete-Salat und von den wechselnden Nachtischen der Schokokuchen mit dem Mastixeis besonders. Da darf auch der eine oder andere Ouzo zum Abschluss nicht fehlen.

Im Porfi fremdeln wir erst ein wenig. Die Zimmer haben schöne neue Bäder und die Sicht vom Balkon in den Garten ist wieder frei, doch leider sind die großen alten Palmen vor Jahren der Säge zum Opfer gefallen. Auf das Frühstück müssen wir uns auch einstellen, klar, Hotelfrühstück, doch dann kommt Niko, der „alte“ Hausmeister und Gärtner um die Ecke und wir verstehen uns gleich wieder gut. Vor neun Jahren hat er uns im Antigoni in Nikiti noch erzählt, er sei zu Danai gewechselt („Mehr Kohle, verstehst du?“), doch fünf Jahre später hat er von Porfi ein Angebot bekommen, das er nicht habe ablehnen können. Außer ihm sehen wir nur noch Mister Porfirides von früher. Während in den Neunzigern fast nur Urlauber aus Deutschland und Österreich das Hotel besuchen, sind nun Gäste aus Russland, Bulgarien oder Serbien klar in der Überzahl. Wir erfreuen uns am Grün des Gartens und der hohen Pinien drumherum. Das Schiff am Abhang zum Strand ist erneuert worden, doch sonst ist alles wie damals, auch der eher mäßige Strand hat kein Upgrade erhalten, doch die „roten Klippen“ ziehen uns wieder in ihren Bann.

Nikiti scheint wie immer da zu liegen. Die Mainroad ist zugeparkt. Ansichtskarten gibt es dort keine, also biegen wir rechts ab, die Neakitou hinunter zum Anleger. Auf halber Strecke finden wir welche im Laden von Dina, die sich wundert, dass es immer noch Touristen gibt, die welche kaufen wollen. Als wir erfahren, dass ihr Vater („crazy old man“) an der Mainroad den großen Keramikladen führte, den wir schon seit 40 Jahren kennen, und sie schon immer in Nikiti lebt, frage ich nach der Familie Patsourakos und sie strahlt uns an. Nikos sei ihr Nachbar. Sofort greift sie zum Handy und ruft ihn an. Wir kaufen noch schnell Briefmarken im Minimarket und sind zehn Minuten später im alten Dorf an der Platia und sehen einen leicht gealterten Nikos mit seiner Hündin Lisa vor dem Barcarolla stehen. Was ist die Freude groß!

Er ist jetzt siebzig, Rentner und „Hausbetreuer“, wenn die Deutschen, die sich im alten Dorf niedergelassen haben, mal nach Deutschland in Urlaub fahren. Stolz zeigt er uns Fotos von seiner Familie. Seine Frau ist leider vor einigen Jahren gestorben, seine Tochter Stefania lebt mit ihrem Mann und seinem Enkelkind in Kozani. In Nikiti wohnt nur noch Tassos. Popi, die kleine Mama und Jannis, der älteste Bruder leben nicht mehr. Elias, mit dem er lange auf dem Boot fischen gefahren ist, wohnt mit seiner Familie in Marmaras, und Vassilis (Originalton Dina: „Crazy Billy“) hat lange graue Haare und arbeitet mit Foulla, der Schwester in einer Taverne in Epanomi nahe Thessaloniki. Wir trinken Kaffee und erinnern uns an schöne, längst vergangene Stunden in der alten Taverne am Anleger, in deren Nähe Nikos früher wohnte, und der Taverne Tassos an der Mainroad, bis Ende der 90er Jahre das Lokal aufgegeben werden musste. Er erzählt viel, auch von der Veränderung des Ortes, die viele Haus- und Cafebesitzer klasse finden. Doch er sei kaum noch an der rummeligen Paralia, sondern nur noch im alten Dorf. Doch wo das Haus Marula geblieben ist, weiß er auch nicht mehr. Wir suchen es vergeblich, drumherum ist wohl alles zugebaut und zugepflastert. Nikiti hat sich unten und oben verändert.

Am folgenden Tag fahren wir nach dem Baden nach Metamorfosis, um zu sehen, was sich dort getan hat. Der kleine Park in der Dorfmitte über dem Meer ist immer noch so schön wie früher. Die Kinder, die im Sommer zur Erholung hierher geschickt werden, sind längst wieder in Thessaloniki und die Rentner, die sie ablösen sollen, wohl noch nicht da. Das Dorf wirkt leer und einen Blumenladen hat es auch nicht.

Den finden wir dann an der Mainroad in Nikiti schräg gegenüber vom Lidl. Mit den Blumen besuchen wir Dina und bedanken uns für ihre Hilfe. Sie meint, wir sollen uns unbedingt die schöne Paralia ansehen, die Millionen gekostet hat. Der Hafen ist ausgebaut worden für Segler und von Anglern in der Vorabendzeit besetzt. Früher war die Paralia nach 200 Metern im Dunkeln verschwunden, so dass man bei der Volta wieder umkehrte. Nun ist sie kilometerlang, gesäumt von Tavernen, Cafes, vielen Appartmentreihenhäusern sowie den unvermeidlichen Liegestuhlbatterien am Wasser. Früher haben hier nur Einheimische gebadet.