Herbst in Limni

2016

Wir fliegen mit einem komischen Gefühl Ende September nach Athen. Die Meldung von Ende Juli, bei Limni gebe es Brände, hat mich kalt erwischt. Der Ort habe fast evakuiert werden sollen, doch nach einigen Tagen hat es Entwarnung gegeben. Immer mal wieder haben wir in den über 30 Jahren, in denen wir Griechenland besuchen, Feuer brennen und ihre Folgen z.B. auf Rhodos oder der Chalkidiki mit eigenen Augen sehen können, auf Euböa nur ganz oben auf der Halbinsel Lichada.

Der Brand in Limni sei im Süden gewesen, hören wir beim Telefonat. In Limni sei alles wie immer. Wir beschließen, einige Tage in Rovies zu wohnen und dann weiterzusehen.

Ramona ist erfreut über den Sitzkomfort von SwissAir, die schnelle Gepäckabfertigung in Athen und die problemlose Übernahme unseres Toyotas. Doch dann zeigt Athen das Gesicht der letzten Jahre, Nieselregen bei der Durchfahrt. Doch es wird besser, kein Stau in Nea Artaki hinter Chalkis auf Euböa, und dann auf in den Berg, Serpentine um Serpentine. Wir sind überrascht, als Baustellenschilder auftauchen. Doch keine kaputte Straße, die kommt dann später, sondern ein mehrere Kilometer langer Ausbau einer dritten Spur.

Als wir durch Mandoudi hindurch sind, erwarten wir hinter jeder Kehre abgebrannte Wälder zu sehen, doch alles ist grün wie immer. Erst kurz vor Limni erkennen wir auf einer Gebirgskette etwas braunen Schimmer.

Wir finden in Rovies ein großes Appartment direkt am Meer, gehen baden und fahren abends zum Essen nach Limni. Die Freude im Platanos ist groß, wir sind zwei Jahre nicht da gewesen. Nikos, Evi und Jannis freuen sich sehr. Für eine Minute steht der Betrieb still. Wir bekommen sofort Zaziki, Brot und eine Karaffe mit Wasser. Ein neuer junger Kellner namens Jonas spricht Deutsch und dolmetscht das Wichtigste. Das Restaurant ist für Ende September gut besucht. In diesem Jahr bestellen wir mal nicht zu viel am ersten Abend, Patates und zwei Spieße, dazu Paputzakia und Rosé vom Haus. Wir sind zufrieden und etwas müde. Avrio, meint Nikos. Avrio!

Am nächsten Abend sind wir früher da. Ein langer Tisch unter der Platane ist mit einer britischen Studentengruppe belegt. Und das Ende September. Das Geschäft läuft. Wir bummeln die Straßen entlang. Am Taxiplatz an der Kirche hat in einem ehemaligen Minimarket ein Grill aufgemacht, der von jungen Leuten gut besucht ist. Sonst können wir keine großen Veränderungen feststellen. Jugendliche laufen mit Spießen in der Hand herum. Sie tragen wie wir schon Jacken, weil es etwas frisch geworden ist. Vom Brand will niemand groß reden. Avrio. Wir setzen uns nach nebenan ins Café Giannaros. Espresso und Frappé sind lecker. Der „Black Forest“ törnt uns dieses Jahr nicht so an.

Als am Sonntag der Himmel bedeckt ist, machen wir uns auf in den Süden hinter dem Hafen, direkt unten am Berg entlang. Das Feuer ist oben bis über den „Limniberg“ gekommen, hat aber Sportplatz und Schule nicht mehr erreicht. Als wir um die Ecke hinter den ersten Gipfel biegen, ahnen wir das Ausmaß. Der Brand ist erst bei der alten Fabrik bis hinter dem neuen Hotel Kaminos Resort, was im Juli evakuiert worden ist, zum Stillstand gekommen. Was für ein Wunder, an dem Hunderte Feuerwehr-leute, Helfer und Wasserflugzeuge mit ihren Piloten mitgewirkt haben! Auch das letzte Restaurant einige hundert Meter weiter, das Astron steht noch. Einer der Kellner berichtet mir von der Angst der Bewohner und der Hoffnung auf Rettung. Weil der Wind irgendwann gedreht hat, bleibt die Taverne ohne größere Schäden. Sie ist voll im Betrieb und zum Mittagsgeschäft gut besucht, wie wir sehen.

Auf dem Weg weiter zum Kloster Galataki sehen wir dann das volle Ausmaß. Das Feuer ist über die Straße bis ans Meer gekommen. Dort sind keine Einsätze mehr geflogen worden. Einzelne ältere Häuser sind völlig zerstört. Das Feuer soll im Innern der Insel in der Nähe von Farakla an drei Stellen gleichzeitig aufgeflammt und sich dann in einer Walze von acht Kilometer Breite nach Süden in Richtung Limni durchgefressen haben. Es soll eine Fläche von 22km² zerstört haben. Das sind etwa 30000 Fußballfelder. Wir drehen irgendwann um, weil wir uns ziemlich hilflos vorkommen. Abends erfahren wir von Gerüchten, dass der „Holzhandel“ oder die „Windradmafia“ dahinter stecke. Die Limnianer haben sich mit dem Status Quo abgefunden und sind nur froh, dass sie und ihre Stadt noch einmal davongekommen sind. 

Als Tagesgericht aus dem Ofen gibt es abends Pastizio. Der Vlita dazu ist lecker. Als wir gerade noch bei Jonas zwei Spieße bestellen, stellt Nikos leckeres Spanferkel und heiße Patates auf den Tisch. Manchmal liebe ich Griechen. Und als er dann noch mit einem Kokossirupkuchen um die Ecke kommt, sind wir dann doch zufrieden mit dem Tag.

Rovies ist schon herbstlich eingestimmt. Das Brennholz liegt zum Hacken bereit. Wir fahren hoch nach Ilia, fast alles ist schon zu. Am Strand in Rovies entscheiden wir uns, bei der Wetterlage nicht nach Skyros überzusetzen, sondern schauen im Netz nach, wo es wärmer ist.

Der südliche Peloponnes wird uns mit besserem Wetter erfreuen. 

Nach dem Bummel durch das graue Rovies machen wir einen Abstecher zu "unserem alten Platz". Er liegt verlassen da und wartet auf den nächsten Sommer.

Am Abend wird es noch etwas frischer, Kinder rasen durchs Lokal, junge Hunde tollen bei den „Alten“ herum, wir essen uns noch mal lecker durchs Tagesangebot und versprechen, bald wiederzukommen. Bei Giannaros noch ein letztes Ekmek Kataifi und tschüs, Rovies und Limni!

Also am nächsten Morgen zurück durch den herbstlichen Berg

und auf nach Agios Nikolaos