Tage am Meer

2015

Drei Wochen lang habe ich diesen Bericht vor mir hergeschoben. Es ist unerträglich warm tagsüber. Wir verhängen die Fenster mit dunklen Tüchern. Alle zwei Stunden verfolge ich die Griechenland-Krise, abends dann die täglichen Talkshows und die Brennpunkte zum Referendum und nun lese ich die Tagebuchaufzeichnungen von Klaus Bötig, der die Peloponnes bereist und von Schlangen an den Bankautomaten und der Ruhe in den Badeorten berichtet. Das ermutigt mich dann doch, endlich von den 2 Wochen Badeurlaub Anfang Juni zu erzählen.

Mitten im Baustress zwei Wochen Urlaub in diesem Jahr? Und auch noch nach Griechenland? Kein Ding, da bleibt nur die Frage: „Limni oder Naxos?“ Anfang Juni scheint uns die südlichere Insel wärmer zu sein. Aber wir merken, die griechische Wetterlage ist auch nicht mehr das, was sie mal war. „Nehmt genug Bargeld mit“, heißt es im Forum. Alles wird gut.

Der angekündigte Flutlotsenstreik ist zwei Tage vorher abgesagt worden und so machen wir uns erfreut auf die Reise. Das Gepäck wird durch-gecheckt bis nach Naxos und kommt tatsächlich in der Nachmittagswärme auf dem „Laufband“ des kleinen Flughafens in Naxos an. 

Der Himmel ist bedeckt, als Nicole uns abholt. Vom Flugzeug aus habe ich schon gesehen, dass die Salzseen neben dem Rollfeld voller Wasser sind. Es ist ein nasses, kühles Frühjahr gewesen. Der neue Stausee im Innern sei total voll, erklärt Nicole.

Ihr Haus ist gut belegt, viele Stammgäste sind da. Wir packen aus und ich gehe einkaufen. Weil aber Pfingstsonntag ist, erlebe ich zwei Pleiten an den Türen der Läden. Erst am Hafen komme ich zu Wasser, Mythos und Trauben. Dann fahren wir um halb fünf mit dem Bus, der so früh im Jahr nur einmal pro Stunde unterwegs ist, zum Plakastrand.

Welch eine Überraschung! Das Amoremio und das Meze2 sind noch zu, keine Schirme und keine Liegen, also etwas zurück am Strand unter die Palmenschirme vom Cedar. Ich hole den ersten Frappé von Vicky von der Bar, er ist eiskalt und schmeckt lecker. Dann auf ins Wasser. Es ist etwas kühl, aber auch sehr erfrischend nach der langen Anreise.

Abends gibt es dann große Freude im Boulamatsis. Wie immer bestellen wir am ersten Abend viel zu viel. Aber der Kykladensalat muss es schon sein zu den üblichen Vorspeisen und zum Moussaka. Ach, ist das schön, wieder da zu sein. Durch das dunkle Labyrinth geht es zurück ins Bett. Morgen wird bestimmt den ganzen Tag die Sonne scheinen und Ramonas Lieblingsstuhl am Strand vor dem Amoremio bereit stehen.

Der Himmel ist bedeckt am nächsten Morgen. Also dann in langer Hose auf ins Lotto. Es ist schön, Marietta wiederzusehen, die uns ganz entspannt bedient. Voll ist es nicht. Manos schaut desinteressiert wie im Vorjahr her, wenn er frischen Kaffee bringt. Wie wird das Wetter? Er hebt nur die Schultern.

Der Bus bringt uns über Prokopius, wo der Strand am Pfingstmontag gut besucht ist, und über Agia Anna zum Plaka. Beim Amore mio setzen drei Männer die Pfosten für die Schirme in der ersten Reihe, das heißt, einer setzt, zwei messen und rauchen oder überlegen, was zu tun ist. Dann ist die Arbeit beendet. Ich muss nicht nur innerlich lachen, Ramona trauert ihrem Stuhl hinterher.

Am nächsten Tag dürfen wir mittags auf die Liegen in der ersten Reihe, am Donnerstag bringt uns Marianna die ersten Frappédes. Geht doch. Ist es morgens bedeckt und windig, wird es nachmittags sonnig und windig, ist es morgens schön, wird es nachmittags bewölkt und riecht nach Regen. Das Meer ist genial, es wird jeden Tag etwas wärmer, die Liegen und Schirme werden jeden Tag etwas mehr aufgebaut und am Wochenende sind dann auch die beim Meze2 fertig.

Wir lassen uns trotz sehr wechselhaftem Wetter nicht vom Strandbesuch abhalten. Die Wanderer im Haus lächeln immer, wenn wir mit Badetasche und Rucksack losziehen. Abends genießen wir beim Boulamatsis gefüllte Kalamari oder Moschari kokkinisto, Tische werden zusammengestellt für eine französische Wandergruppe in Pullovern und Wanderstiefeln und das Zitroneneis vom Waffelhouse schmeckt so lecker wie immer.

Der nächste Abend ist warm, wir haben Lust auf Sheftalia und gefüllte Pilze im Kozi und erleben einen tollen Sonnenuntergang. Bauch und Herz werden zufrieden gestellt. Auf der Dachterrasse des Kastells schauen wir spät abends in den Sternenhimmel. Naxos ist einfach schön.

Am nächsten Morgen vermissen wir Marietta beim Frühstück, dafür läuft Manos zu überraschend guter Laune auf. Das Proino Elliniko ist lecker und der Jogurt mit Früchten genial, Trauben und Erdbeeren sind total süß. Wir nehmen zwei Tiropites mit zum Strand und erleben den ersten schönen sonnigen Strandtag. Am nächsten Tag ist es morgens wieder sonnig, dann wird es stürmisch und die Wellen, die nach der Vorbeifahrt der Blue Star an den Strand rollen, werden immer höher und bringen den Kindern viel Spaß. Den Liegenbesitzern in der ersten Reihe eher nicht. Von nun an gibt es jeden Tag mehrmals Aufregung und Freude.

Abends ziehen wir dann im Juni Strickjacken an und finden zwanzig Meter neben dem Boulatmatsis das Sto Ladócharto (Pergamentpapier).

Das Restaurant liegt oberhalb des „Lotto“. Wie bei Boulamatsis kann man vom Balkon auf die abendliche Volta schauen und die Versuche der Wirte belächeln, Leute in ihr Lokal zu „ziehen“. Das Ladócharto hat genug Platz und ist schön eingerichtet. Alte Reklametafeln und Bilder aus früheren Naxoszeiten zieren die Wände. Wichtiger ist natürlich das Essen. Die Karte ist klein und enthält auch Gerichte, die wir so noch nicht kennen. Wir essen zum Tsatsiki Fava aus Erbsen mit karamellisierten Zwiebeln und spüren, hier ist ein guter Koch am Werke. Statt Stifado, das ausgegangen ist, traue ich mich nach Jahren mal wieder an Bifteki und bin von Qualität und Geschmack begeistert. Als es dann noch Kormós als Nachtisch vom Haus gibt, eine Art „Kalte Schnauze“ aus leckerer Schokolade und Keksbröseln, griechisch-süß, wissen wir, wir werden wiederkommen. Beim zweiten Besuch ist es voller und wir probieren die Spieße und Patates, die in einer Art moderner Mehlschippe serviert werden. Wir mögen zwar kleinere Suflakia lieber, wie im Platanos oder im Kozi, aber diese sind auch sehr gut. Das Restaurant muss einen guten Metzger haben. Im Ladócharto sind an den Abenden überwiegend junge Gäste, aber auch für die Älteren lohnen sich die Stufen in dieses Restaurant.  

Das Wetter wird in der zweiten Woche besser. Der Sommer beginnt. Ich treffe Naxos-Jorgo und wir trinken nachmittags zwei Mythos bei Vlassys und klönen über die Insel und seine Veränderungen. Abends gibt es Dakos und Paputsakia. Boulamatsis liegt wieder in Führung in der Tavernenwertung.

Abends findet Ramona endlich die gesuchte Umhängetasche mit dem langen Band. Auf eine gehäkelte Tischdecke für den Esstisch verzichten wir nach langem Verhandeln und noch längerer Diskussion.

Am Sonntag steigt dann das Thermometer auf 36 Grad. Der Tag am Meer ist genial, das Wasser erfrischt total. Abends „bastelt“ uns die Mama Pikilia, einen Vorspeisenteller, den wir kaum „aufkriegen“, dazu noch einen Orangenkuchen als Abschluss, und wir sind pappsatt und zufrieden. Schön so zwei Wochen Urlaub ohne Kultur und ohne Fähren zu anderen Inseln und ohne Mietwagen, also keine Reise, ein Urlaub eben. Total langweilig, aber auch für uns in diesem Jahr genau das richtige.

Am Montag geht es dann mit dem 2-Uhr-Flieger zurück nach Athen. Das Gepäck wird durchgecheckt, doch wir müssen wieder neu einchecken. Aber im geeinten Lufthansa-Star-Alliance-Europa wird das sicherlich irgendwann auch noch behoben. Das Chaos beim Abflug in Athen ist ähnlich dem vor Vorjahr, wir fliegen mit nur 15 Minuten Verspätung ab.

In Deutschland ziehe ich wieder eine dicke Jacke an und sehne sie sofort zurück, die Tage am Meer.